Während der Schwangerschaft erhielt Marie die Diagnose, dass ihre Tochter einen Gendefekt hat. Maries Leben änderte sich von einem Tag auf den anderen. Im Interview hat uns Marie die bewegende und inspirierende Geschichte über ihren Familienalltag mit ihrer kleinen Heldin erzählt.

Mutter-Kind-Liebe

Marie: Eine Mama erzählt uns ihre Geschichte

Marie ist Vollblut-Mama und erzählt uns auf KampoNele von ihrem Familienalltag „zwischen Minderheit und Normalität.“  Maries Tochter braucht mehr Aufmerksamkeit als andere 2,5- Jährige. Denn „die kleine Heldin“, wie sie liebevoll genannt wird, kam mit dem Gendefekt Kampomele Dysplasie auf die Welt.

Die Diagnose: „Als riss man uns das Herz heraus“

Da meine Schwangerschaft erst in der 12. Schwangerschaftswoche festgestellt wurde, konnte man bereits beim ersten Ultraschall erkennen, dass sie nicht normal entwickelt ist. Eine Nackenfaltenmessung, sowie ein Ultraschall in der Pränataldiagnostik bestätigten dies. Wir ließen eine Chorionzottenbiopsie durchführen und wussten ca. 8 Wochen später, was genau unsere Tochter für einen Gendefekt hat.“, erzählt Marie.

Als die Ärzte erkannten, dass Maries Tochter an der seltenen Skeletterkrankung leiden wird, „brach unsere Welt zusammen. Wir waren geschockt, entmutigt, traurig, verzweifelt, betäubt. Es schien, als würde unser Leben vorbei sein.“

Pränataldiagnostik

Bei der Pränataldiagnostik erfuhren Marie und ihr Mann, dass die Lebenserwartung ihres Kindes mehr als gering sein würde.

„Wir wollten den Weg mit ihr gemeinsam gehen – egal wie“

Obwohl ihre Überlebenschance nur bei 5% lag, kämpfte sich die Kleine tapfer durch. Bis dahin war es aber ein schwerer Weg für Marie und ihren Mann: „Es war sehr schwer für uns zu verstehen und zu akzeptieren, dass ich zwar schwanger war, aber wir wahrscheinlich nie Eltern unserer Tochter sein dürfen. Wir hatten uns entschieden, die Schwangerschaft nicht abzubrechen, sondern unsere Tochter entscheiden zu lassen, ob sie leben möchte oder nicht.

Wir bereiteten nicht viel vor für die Zeit nach der Geburt. Die Zeit bis zur Geburt war ein emotionales Auf und Ab, aber wir versuchten so viel es ging, diese Zeit zu genießen und alles mitzunehmen was ging.“ Andererseits machten sich Marie und ihr Mann auch schon Gedanken darüber, wie ihre Tochter hätte beerdigt werden sollen.

Wir waren daher auf alles vorbereitet, da wir uns auch schon viel Wissen über die Krankheit angeeignet hatten und einigermaßen wussten, was in etwa auf uns zukommen könnte.“, so Marie.

So geht es der kleinen Heldin heute

Maries Tochter ist heute 2,5 Jahre alt und  ein glückliches Kind, wie Marie auf ihrem Blog beschreibt. Allerdings zieht ihr Gendefekt einige Handicaps mit sich: „Sie kann nicht oral sprechen. Sie wird über eine Magensonde ernährt. Sie kann nicht krabbeln oder laufen und ist muskelschwach. Sie ist entwicklungsverzögert, hat eine sensorische Wahrnehmungsstörung, was heißt, dass Reize über die Haut sehr schlecht verarbeiten kann, wie zum Beispiel im Sand spielen. Bis vor kurzem hatte sie noch eine Gaumenspalte und war schwerhörig.

Am meisten beeinträchtig Maries Tochter, dass sie nicht laufen kann. „Vom Kopf her ist sie sehr gut entwickelt – altersentsprechend. Und sie versteht sehr viel. Andere Kinder zu sehen und mit ihnen zu spielen macht sie glücklich. Aber das sie nicht so mithalten kann, frustriert sie sehr. Weil sie möchte, aber merkt, dass sie nicht kann. Wir hoffen daher bald einen Arzt bzw. eine Klinik zu finden, die sich an ihre seltenen Fehlbildungen ran traut.“, beschreibt Marie.

Maries Alltag: Anders normal

Marie ist seit der Geburt ihrer Tochter eingeschränkter und auch oft sehr angespannt, „obwohl ich prinzipiell noch Glück habe, da meine Tochter doch relativ pflegeleicht ist.

Sie ist 2,5 Jahre alt, aber nicht annähernd selbstständig für ihr Alter. Sie wird noch voll gewickelt, muss angezogen und gefüttert werden, ich muss sie überall hintragen, wo sie hin möchte. Ich muss immer ein Ohr auf ihre Atmung haben und darauf achten, ob sie inhalieren oder abgesaugt werden muss.

Die Krankheit von Maries Tochter birgt einige Gefahren, weswegen sie im Schlafmonitor überwacht wird. Marie schildert uns ihren Alltag: „Mit locker 3 Taschen verlasse ich immer das Haus und jede Autofahrt kann in reinstem Stress ausarten, da sie hinten im Reboarder sitzt und ich sie nur über den Spiegel beobachten kann. Manchmal muss ich in den unmöglichsten Situationen rechts ran fahren.

Mutter mit Kinderwagen

„Mal eben aus dem Haus kann ich nicht gehen, da ich immer für den Notfall unterwegs gerüstet sein muss.“, erzählt uns Marie.

Wie bewältigt eine Mutter so eine besondere Lebenssituation?

Marie ist mit der Zeit immer mehr in ihre Aufgabe hinein gewachsen: „Da es mein erstes Kind ist, habe ich keinen Vergleich und für mich ist es normal, wie es ist. Ich versuche, so entspannt und locker wie möglich mit meiner Situation umzugehen. Ich bin dankbar, dass meine Tochter lebt und auch wenn es nicht immer leicht ist und oft viele Tränen der Wut und Verzweiflung fließen, habe ich mein Lachen nicht verloren.

Die größte Veränderung zu Maries Leben vor der Geburt ihrer Tochter ist, dass sie nicht mehr so spontan und flexibel sein kann. „Mein Leben ist nicht mehr so unkompliziert und unbeschwert wie  vorher.  Ich habe eine andere Art von Problemen  kennengelernt. Das hat mich bereichert.

Viele Streitigkeiten erscheinen Marie nun als unwichtig: „Über manche Probleme brauche ich gar nicht mehr zu reden, weil sie für mich nebensächlich geworden sind. Die Hürde, die ich zu überwinden habe, ist so groß, das ich manchmal verzweifelt ausgeglichen bin. Ich bin nicht mehr so belastbar und fühle mich leichter angreifbar.

Die Auswirkungen auf Maries Partnerschaft

Maries Erfahrung, die sie aus der Geburt ihrer Tochter schöpft, lautet: „Man darf sich als Paar nicht verlieren. Auch wenn wir nicht mehr so spontan und flexibel sein können, schaffen wir uns Raum für uns zwei. In welcher Partnerschaft gibt es keinen Streit? Auch wir führen Grundsatzdiskussionen. Aber wir kämpfen gemeinsam für unsere Tochter. Das Erlebte hat uns zusammen geschweißt und unsere Liebe zueinander nur noch stärker gemacht.

„Seid Mütter und lasst eure Kinder Kinder sein!“

Marie liegt ein Ratschlag an andere Mütter am Herzen: „Schraubt den Leistungsdruck an euch und eure Kinder runter. Macht euch keinen Stress, weil euer Kind sich vielleicht anders entwickelt, als es in Büchern vorgegeben wird. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Hauptsache euer Kind ist glücklich. Auch Kinder mit Einschränkungen können glücklich sein und werden in die Gesellschaft integriert. Nur, weil ein Kind nicht dem Idealbild entspricht, ist es trotzdem ein Leben, das viel Wert hat. Ein gesundes Kind zu bekommen ist ein Geschenk und keine Selbstverständlichkeit.

Wir bedanken uns bei Marie dafür, dass sie ihre ermutigende und inspirierende Geschichte mit uns geteilt hat.

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