Die Macht der Worte ist groß, die Verantwortung der Autoren gewaltig und die Entscheidung der Eltern oft prägend: Was bekommt mein Kind zu lesen? Soll es von Bibis frechen Streichen oder Harrys Zaubermoral beeinflusst werden? Wir haben uns mit zwei Menschen unterhalten, die wissen, was gute Kinderlektüre bieten muss.

Kinderbücher

Kinderbücher können die Welt der Kleinen auf den Kopf stellen!

Zwei, die es wissen müssen

Karim_Pieritz

Karim Pieritz schreibt, was Kinder wirklich lesen wollen.

Familienvater und Kinderbuchautor Karim Pieritz schreibt seine Bücher unter den wachsamen Augen seines wohl strengsten Lektoren: Seinem Sohn. Was der mittlerweile 8-Jährige nicht für gut heißt, wird nicht veröffentlicht. Eine moderne Kiddie-Zensur also, die gut zu funktionieren scheint:

Seit seinem 4. Lebensjahr lese ich meinem Sohn die Geschichten vor oder wir besprechen sie, wenn wir gemütlich auf dem Balkon sitzen oder gemeinsam zur Schule gehen. So machen wir das bis heute. […] Er kann für einen Zweitklässler schon sehr gut lesen und greift bei der Lektüre gerne zum Rotstift, um seine Anmerkungen zu hinterlassen. Ich frage ihn auch, wie glaubwürdig er das Verhalten meiner Charaktere findet und wie spannend die neuen Ideen sind.“

Die Verlegerin von Flyfiction Fantasy deckt dagegen eine ganze andere Sparte der Buchszene ab: Jugendliteratur. Der noch junge Verlag setzt auf spannende, neue Fantasy-Figuren, die ganz menschliche Probleme lösen müssen „Fantastische Ideen und liebevolle Weltdetails werden verwoben mit Konflikten rund um Freundschaft, Liebe, Krieg, Magie und Verrat.“

Von beiden haben wir wertvolle Tipps bekommen, was bei der Auswahl der Kinderlektüre wichtig ist.

Die richtigen Werte vermitteln

baby girl with magic book on a dark background

Gute Kinderbücher können die Kleinen vollkommen verzaubern!

Alle Eltern wollen, dass ihre Kinder gute Tugenden und Wertevorstellungen mit auf den Weg bekommen. Gerade Kinderbücher sind hier ein Ass im Erziehungsärmel: Sie vermitteln „gut“ und „schlecht“ im Idealfall nicht plakativ mit erhobenem Zeigefinger, sondern subtil in ein spannendes Handlungsgeschehen verpackt.

Auch für Karim Pieritz sollte eine gesunde Wertevermittlung zum „Basispaket“ eines jeden Kinderbuches gehören:

Die Helden in meiner Kinderbuch-Reihe zögern nicht, einem Freund in Not zu helfen, egal, ob er ein Mensch, ein Elf, ein Riese oder ein Bär ist. Es ist mir wichtig, die Themen Toleranz und Hilfsbereitschaft als wichtige Tugenden in meinen Büchern zu zeigen.“

Im Flyfiction Fantasy-Verlag sieht man beim Thema Wertevermittlung allerdings – vor allem in der Jugendliteratur – viel Konfliktpotential:

Es kommt darauf an, wie man Werte definiert. Aus unserer Sicht gibt es etliche Jugendbücher, die eher zweifelhafte Werte vermitteln. Vordergründig vermitteln sie sinnvolle Werte, allerdings vermengt mit einer Reihe subtiler Werte, die weniger wünschenswert sind.

[…]Wir halten junge Leser für intelligent genug zu erkennen, dass Stehlen, Schlagen, Mobben, Töten und Ähnliches im Normalfall keine guten Handlungen sind. Besorgter sehen wir hingegen subtile kritische Werte in Jugendbüchern. Ein fiktives Beispiel: Jugendlicher Protagonist Nr. 1 tötet unter größten Gewissensbissen einen Gegner, um sein Leben zu retten – und auf der anderen Seite steht der zweite jugendliche Protagonist, der mit einem amüsierten Schmunzeln bei seiner Matheklausur schummelt. Danach bekommt er in der Clique Glückwünsche zu seinem „gelungenen Coup“, garniert mit Aussagen wie: „Der blöde Pauker hat’s verdient!“

[…| Bei Botschaft 1 erkennt der junge Leser den großen Konflikt des Protagonisten, während Botschaft 2 wie Schleichwerbung funktioniert und das Buch unterschwellig vermittelt: „Lehrer verdienen es, hintergangen zu werden und dass man schlecht über sie redet.“

Spannung – Lesen – Lernen

Ohne Spannung, keine Leserschaft; ohne Leserschaft, kein Lernen. Auch wenn Moral und Werte gerade zur heutigen Zeit wichtige Säulen von Kinderbüchern sein sollten, müssen die Bücher schon auch packend sein, damit die Kids überhaupt Lust haben, sie zu lesen! Das betont auch die Verlegerin von Flyfiction:

„Besser, ein Jugendlicher liest ein spannendes Buch mit 30 Prozent guten Werten, als wenn man ihm ein Buch mit 100 Prozent guten Werten schenkt, das aber so langweilig ist, dass er es nie lesen wird. Und ob gute oder weniger gute Werte – einen guten Wert fördern unterhaltsame Jugendbücher auf jeden Fall: die Lust am Lesen, die Lust auf weitere Bücher – und damit letztlich das Bewusstsein für Sprache, für gutes Deutsch und für richtige Rechtschreibung, was dem Kind oder dem Jugendlichen in der Schule und später im Beruf nützen wird.“

Fantasy: Hoffnung und nicht Angst machen

rotkäppchen

Auch eine Form von Fantasy: Die Märchenwelten der Brüder Grimm.

Besonders bei kleineren Kindern ist es wichtig, Bücher mit positiven Grundstimmungen zu wählen. Wenn ihr also Fantasy für Kleinkinder wählt, dann sucht nach Geschichten, in denen „die Fabelwesen als gute Wesen erscheinen, die uns helfen, unsere Wünsche erfüllen und für uns da sind, auch wenn wir traurig sind“, so die Verlegerin von Flyfiction.

Schwierig hingegen seien Fantasy-Geschichten, die Ängste schüren:

Was man Kleinkindern hingegen nicht erzählen sollte, sind Schauergeschichten, also alles, was düster ist oder so erzählt wird, als hocke das Monster beim Kind im Kleiderschrank. Geht man mit einem Kind durch den Wald, sollte man ihm kein Märchen von Werwölfen erzählen, auch nicht von bösen Hexen, die im Wald sitzen und kleine Kinder in Käfige sperren, um sie dann zu braten. In dem Sinne sind Geschichten wie „Hänsel und Gretel“, „Rotkäppchen“ oder manches andere Grimm-Märchen eine kritische Sache. Diese Märchen haben ihren Ursprung zu einer Zeit, wo man weniger sensibel war.

[…]Generalisieren kann man allerdings nichts. Kinder reagieren auf düstere Darstellungen sehr unterschiedlich. Das kann man einem Kind auch kaum ansehen. Es gibt Kinder, die können mit vier Jahren „düstere Kost“ gut aufnehmen oder gar darüber lachen. Und es gibt Kinder, für die ist das noch mit sechs, acht oder zehn Jahren schwierig.“

Die Verantwortung der Autoren

„Die Bücher von heute formen die Kinder von morgen“: Solche und ähnliche Worte sitzen Kinder- und Jugendbuchautoren wie eine schwere, moralische Bürde auf den Schultern. Haben sie die Verantwortung für eine ganze Generation? Laut Flyfiction-Verlegerin sollte man den Einfluss von Kinderliteratur lieber nicht unterschätzen:

Kinderbücher können ein Kind sehr prägen. Aber auch hier gilt, dass es von Kind zu Kind unterschiedlich ist, wie sehr es sich prägen lässt. Jugendbücher können genauso intensiv Jugendliche prägen wie Erwachsenenbücher die Erwachsenen. Jeder Mensch hat seine eigene Art, Beziehungen zu Büchern einzugehen. Und mit manchen Büchern gehen manche Menschen enge Beziehungen ein, auch Kinder. Andere dagegen rauschen an uns vorüber. Bei Kindern ist es ähnlich.

[…]Eine Ironie bei Kinderbuchautoren und deren Verantwortung ist allerdings, dass deren Verantwortung mit deren Erfolg als Buch-Autor steigt. Manche neue Autoren verkaufen ihre Kinderbücher nur an zwanzig Leser. Wenn diese Bücher etwas fragwürdig sein sollten, haben nur wenige Kinder – wenn überhaupt – diese Geschichten gelesen. Wenn hingegen Joanne K. Rowling das nächste Jugendbuch schreibt, werden Tausende von Kindern es lesen.“

Auch Verantwortung für einen Beitrag zur Sprachentwicklung der Kinder würden die Autoren von heute tragen:

Es gibt Kinder- und Jugendbücher, die zwar spannend sind und gute Werte vermitteln, wo aber das sprachliche Niveau sehr bescheiden ist. Falls Sie ein Kind haben, das viel liest, aber kein einziges Synonym für „sehen“, „gehen“, „dann“ und „aber“ ganz selbstverständlich in einem Text verwendet, dann liegt es vielleicht an der Literatur, die es liest.“

Das perfekte Kinderbuch?

gute Kinderbücher

Gibt es ein Kinderbuch wie aus dem Bilderbuch?

Sowohl Karim Pieritz als auch der Flyfiction-Verlag haben eine genaue Vorstellung davon, wie Kinder- und Jugendliteratur im Idealfall aussehen sollte:

Das ideale Kinderbuch ist für Kinder sehr spannend, macht Lust auf Lesen, vermittelt vordergründig und hintergründig gute Werte – und obendrein ist es so geschrieben, dass es den Kindern noch die Stilregeln für gutes Deutsch vermittelt, wie sie es in Schule, Studium und später im Berufsleben brauchen werden“, so die Flyfiction-Verlegerin.

Für Pieritz sollte es vor allem spielerisch Werte vermitteln: „Ein gutes Kinderbuch sollte lustig und spannend sein. Ernsthafte Themen sollten behandelt werden, aber ohne moralischen Zeigefinger. Die klassische „Moral von der Geschicht“ sollte jedes Kind selbst entdecken dürfen und nicht zwangsverordnet bekommen.

[su_box title=“Dscheiga: Bist du bereit für eine Mission?“ style=“soft“ box_color=“#e24924″]Cover-Dscheiga-2015„In dem Buch geht es viel um Freundschaft – zu alten und zu neuen Freunden. Am Anfang ist Dscheiga sehr auf sich und ihre persönlichen Nöte fixiert. Ein Mädchen, das zuerst die eigenen Probleme sieht und unbedingt nach Hause in die heile Welt will. Dadurch entgehen ihr die Schönheit und die Chancen der neuen Welt. Im Verlauf der Geschichte entdeckt Dscheiga, dass sich das Leben nicht allein um sie dreht. Sie entwickelt immer mehr Interesse an den Mädchen und Jungen der neuen Höhlenwelt. Und Dscheiga lernt, Verantwortung für ihre Entscheidungen und für ihr Handeln zu übernehmen.[…]

Immer mehr hinterfragt Dscheiga die Mission und ebenso die Autoritäten selbst. Sie will nicht länger etwas tun, nur weil undurchschaubare Autoritäten es ihr auftragen, ihr Ängste zuflüstern und ihr die Bedenken auszureden versuchen, die sie bei der Mission hat. Die mysteriösen Wesen wollen Dscheiga weismachen, das „Leben im Totenreich“ sei ein Spiel, nichts, das sie ernst nehmen müsse, einzig eine Prüfungskulisse. Mit der Frage „Wahrheit oder Lüge?“ setzt sich Dscheiga viel auseinander und immer deutlicher erkennt sie: Das Leben im Totenreich ist kein Spiel.“ [/su_box]

Wir danken Karim und dem Flyfiction-Team sehr herzlich für die tollen Ratschläge und Einsichten in die Kinder- und Jugendliteraturwelt!

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