Workaholic – so würde Tanja ihr früheres Ich beschreiben. Viel Arbeit war nie genug, bis es dann eben doch einmal zu viel wurde. Hier erzählt sie uns ihren Werdegang vom Workaholic zur Mama.

Tanja und ihr Sohn beim Dösen

Ein bisschen Ruhe muss zwischendurch auch sein.

Immer höher, immer weiter und trotz Kind immer in der Arbeit. Tanja war Messe- und Eventmanagerin einer großen Telekommunikationsfirma und fing bereits vier Monate nach der Geburt ihres Sohnes wieder an zu arbeiten. Zunächst mit wenigen, dann mit immer mehr Stunden. Bis alles zu viel wurde. Hier erzählt sie uns, wie sich ihr Leben gewandelt hat und wie sie vom Workaholic zur glücklichen Mama wurde.

Mehr über Tanja erfahrt ihr auf ihrem liebevoll mit vielen Bildern gestalteten Blog.

Du warst einmal laut deinen eigenen Worten „Workaholic, dann Psycho und jetzt geheilt“. Erzählst du uns deine Geschichte?

„Ich liebte meinen Job. Ich liebte mein turbulentes Leben. Und ich wollte ein Kind. – und das war alles ganz einfach. Ich schrieb vor meinem inneren Auge einen Projektplan, wann ich schwanger werden müsste, um meine Lieblings-Events dennoch durchführen zu können.

Gesagt getan. Ich wurde so pünktlich schwanger, dass ich für meine Firma in der heißesten Phase des Jahres da sein konnte, bevor ich in den Mutterschutz musste. Der Plan sah vor, dass ich wieder einsteige, wenn die nächste Projektphase losgeht. Und dazwischen? Da bekam ich einen wunderbaren Sohn.

Aber das Arbeiten und das Leben waren mir, trotz Kind, sehr wichtig. Ich wollte kein Hausmütterchen sein und daheim hocken. Ich glaubte, ich würde im Leben etwas verpassen. Ich wollte raus, ich wollte feiern gehen, Geschäftsreisen machen und trotzdem den niedlichen kleinen Fratz zu Hause haben. Und ich wollte nichts abgeben. Gar nichts.

Ich nahm, außer von meinem Mann auch keine Hilfe an, sodass ich Kind und Kegel alleine wuchtete. Morgens Krippe, schnell zur Arbeit, dann wieder Kind kurz vor knapp abholen, einkaufen, kochen, Wäsche. Und abends hätte ich ja  was verpassen können. Also Kind in den Kinderwagen und los geht’s, hier zu Freunden, da was trinken. Wir gingen auf Konzerte, Partys usw. Wo das Kind mitkonnte, war es dabei. Ansonsten ließ sich irgendetwas organisieren. Und wenn nichts los war, organisierten wir eben selbst was und luden regelmäßig zu uns nach Hause ein.

Zusätzlich habe ich immer mehr Projekte im Job angenommen und weil ich ja nicht mehr Vollzeit arbeitete, hab ich das gleiche Pensum wie vorher einfach in kürzerer Zeit erledigt. Wer braucht schon Pausen. Natürlich war ich auch viel unterwegs, denn Messen und Events finden selten im Büro statt.

Irgendwann, als das Kind gerade drei Jahre alt war,  fing bei mir das Fernweh an und ich wurde immer häufiger krank. Erkältungen, Halsschmerzen, Mandelentzündungen. Durchgeschlafen hatte ich schon seit 3 Jahren nicht. Ich war müde. Permanent müde. Ich wollte einfach nur Urlaub.  Irgendwo weit weg. 

So fing ich an Urlaubspläne zu schmieden. Aber erst mal hatte ich viele Projekte zu erledigen und Urlaubssperre. Ich überlegte, wie ich an eine Pause kommen könnte. Da hatte ich die Idee einer Mutter-Kind-Kur. Um diese zu beantragen, ging ich zu meiner Hausärztin. Die setzt sich eine Stunde mit mir hin und hörte sich an, warum ich zur Kur wollte. Ich wollte präventiv auf Burn-out behandelt werden und erzählte Ihr, wie es mir ging. Bei dem Wort präventiv schüttelte sie nur den Kopf und sprach: Sie sind bereits mitten drin. Ich dachte mir „Ja, genau, was weiß die denn?“.“

Tanja macht ein Selfie im Aufzug

Tanja ist jetzt wieder eine lebenslustige, glückliche Mutter.

„Am nächsten Tag hatte ich im Büro richtig viel zu tun und klotzte total ran. Im Kopf immer wieder die Worte der Ärztin und die Diagnose „depressives Erschöpfungssyndrom“ – ich fing noch im Büro an zu heulen und brach quasi pünktlich zum Feierabend am Schreibtisch zusammen. Ich konnte und konnte nicht aufhören zu heulen. Mein Kopf war voll von allem und nichts. Ich wusste nicht, wie es weiter gehen sollte und was ich als nächstes tun sollte. Mein Mann kam und brachte mich nach Hause.

Die nächsten zwei Wochen wollte ich meinen Burn-out einfach nur bekämpfen. Ich lief von Beratungsstelle zu Beratungsstelle, von Arzt zu Arzt und versuchte auf eigene Faust krampfhaft zu entspannen. Ich bemerkte dabei nicht, dass ich schon eine geraume Zeit Panikattacken hatte (wusste ich doch nicht, was das ist). Ich verrannte mich immer mehr, wollte ich doch in 6 Wochen wieder im Büro sein.

Zwei Wochen später, es war der 03. Oktober, ein Feiertag, wollte mein Mann den Tag mit mir planen. Wir wollten zusammen etwas Schönes unternehmen. Doch ich war einfach nicht in der Lage eine Antwort zu geben. Ich wollte keine Entscheidungen mehr treffen, ich wollte keine Verantwortung mehr tragen. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich wusste nicht mehr weiter. Ich war nur noch am heulen. Daraufhin brachte mein Mann mich in die Psychiatrie.

Er hat mich einfach eingeliefert, weil er nicht mehr weiter wusste.  Und ich war ihm dankbar. Denn dort sagt man mir: „Wir können ihnen helfen“. Die haben mich erst einmal ein paar Tage ruhig gestellt und langsam angefangen, mit mir zu arbeiten. Ich bekam Die Diagnose Depressionen und Erschöpfungszustand. Das sei doch gut! Gut? – Ja, klar, das ist heilbar. Na, toll!

Nach drei Wochen wurde ich verlegt in die Psychosomatik. Ich nahm Antidepressiva und Schlafmittel. Denn das Schlafen hatte ich mittlerweile verlernt. In der Klinik lernte ich zu entspannen und wieder zu schlafen. Durch viele tiefenpsychologische Sitzungen kamen auch einige Dinge zu Tage, die ich zwar wusste, aber nie realisiert habe.

Hauptproblem allgemein ausgedrückt: Ich will allem und jedem gefallen und es jedem recht machen.  Und das artet nun mal in Arbeit aus.

Insgesamt war ich dreieinhalb Monate in der Klinik. Auch über Weihnachten und Silvester. Mein Mann rockte zusammen mit dem Kind unser Zuhause. Die beiden waren großartig. Auch unser Arbeitgeber zeigte Verständnis in alle Richtungen und ließ uns Unterstützung zukommen.

Im Februar wurde ich entlassen und plante, nach Ostern wieder arbeiten zu gehen. Doch leider bekam ich immer wieder Panikattacken, sodass ich meinen Arbeitsbeginn auf den Herbst verschob. Ich  wollte den Sommer mit meinem Kind genießen, was ich auch tat.

Direkt nach der Entlassung begann ich eine Psychotherapie und las mich viel in das Thema Entspannung, Achtsamkeit usw. ein.

Den Sommer über entspannte ich zusammen mit meinem Kind und genoss es, zu Hause zu sein. Ich hatte in der Klinik gelernt, wieder mit meinem Kind umgehen zu können. Teilweise war ich während der Krankheit nicht in der Lage, alleine mit dem Kleinen zu sein, da er mich komplett überfordert hat.

Im Herbst begann ich langsam wieder zu arbeiten. Mein Chef war super. Er überließ mir das Tempo und bot mir leichtere Projekte an. Im nächsten Sommer war ich dann soweit und bezeichnete mich als gesund und setzte meine Antidepressiva ab. Ich arbeitete nur noch vier Tage die Woche mit 28 Wochenstunden. Damit kam ich ganz gut klar.

Doch es kam wieder anders als geplant. Meine Abteilung war gezwungen, Leute abzubauen und es traf mich. Mitten ins Herz. Denn ich liebte meinen Job. Ich habe 15 Jahre in dieser Abteilung verbracht und alle Höhen und Tiefen miterlebt. Ich verfiel in eine akute Depression und musste direkt wieder mit den Tabletten einsteigen. Bis Herbst stand es noch ein wenig auf der Kippe aber, letztendlich musste ich im Oktober meinen Platz räumen.

Zwar wurde ich nicht entlassen, sondern in eine Auffanggesellschafft versetzt, aber jobsuchend war ich nun. Und demotiviert. Und depressiv. Ich wollte das alles nicht. Ich hatte mich doch gerade so schön erholt.

Nun, so war ich erst einmal wieder gezwungenermaßen zu Hause. Ich merkte bald, dass das im Grunde gar nicht so schlecht war. Wurde ich doch voll bezahlt und musste mich nur ab und zu mit meiner Beraterin treffen. Um meinen Arbeitgeber zu ärgern, erhöhte ich meine Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden (die ich ja gar nicht arbeitete) so hatte ich auch direkt mehr Geld auf dem Konto. Ich bekam verschiedene Schulungen und Seminare und regelmäßig die Aufforderung, doch bitte das Unternehmen freiwillig zu verlassen. Die Abfindung wäre ein hübsches Sümmchen gewesen. Aber der Überblick auf den Markt sagte mir: Behalte bloß deinen Vertrag. Der psychologische Druck war nicht ohne. Ich war froh, nach wie vor zur Therapie gehen zu dürfen.

So dümpelte ich daheim rum und verschickte regelmäßig Bewerbungen und genoss mal wieder einen schönen Sommer zu Hause. Ich mutierte zum Hausmütterchen. Und es machte mir Spaß. Ich bastelte. Ich malte. Wir unternahmen viel. Wir bereiteten uns auf die Schule vor. Viele Dinge, für die ich auf einmal Zeit hatte.

Im Herbst bot man mir einen befristeten Projekteinsatz als Assistentin an, den ich nicht ablehnen durfte. So musste ich direkt nach der Einschulung meines Sohnes wieder arbeiten gehen. Und nun auch 30 Stunden pro Woche. Die Arbeit war okay, aber mit viel Druck und vielen Zickereien innerhalb der Abteilung. Ich war innerhalb kürzester Zeit wieder an meiner Grenze. War ich doch wieder sehr schnell müde und abgespannt. 30 Stunden waren einfach zu viel. Ich wurde erst einmal krank.

Und ich musste mich trotzdem weiterhin bewerben. Ich bekam auch ein recht gutes Job-Angebot in München, aber der Chef verlangte sehr viel von mir, sodass ich große Bauchschmerzen bekam, als ich erfuhr, dass ich den Job annehmen sollte. Wie aus der Nummer rauskommen? Doch noch meldeten die sich erst mal nicht. Auch gut.

Um meinem anderen Job aus dem Weg zu gehen, beantragte ich eine Reha, ich wollte da raus. Die Reha wurde schnell genehmigt und man wollte mich direkt über Weihnachten in den tiefsten Schwarzwald schicken. Fünf Wochen lang. Das fand ich dann doch nicht so lustig.

Einige Tage vorher bekam ich eine Mail, ob ich nicht Lust auf ein Bewerbungsgespräch hätte. Hatte ich nicht. Alles war doof. Ich flüchtete mich in eine Erkältung und vermummelte mich zu Hause.

Ich überschlief dann alles noch einmal und entschied aus dem Bauch, den Job in München nicht anzunehmen, meine Kur durchzuziehen und den Herrn mit dem Bewerbungsgespräch zurückzurufen.

Wir verabredeten uns für einen Freitag. Bevor ich mich auf den Weg machte, rief ich in der Reha-Klinik an und machte denen klar, dass ich an Weihnachten auf gar keinen Fall ohne mein Kind sein kann und dass sie sich was einfallen lassen sollten. Und das ging sofort, ohne Probleme. Der Termin wurde gleich verlegt und ich sollte zwischen den Jahren kommen und doch meine Familie einfach die ersten Tage mitbringen. Cool, das geht, Tag gerettet. Ich fuhr los und kam eine Stunde zu spät zum Bewerbungsgespräch. Der Mann war so nett und ich schenkte ihm reinen Wein über meine Krankheit, meinen Zustand und meine Wünsche bezüglich Arbeitsart und -weise ein. Sonderbarerweise stimmte er allem zu.  Wir einigten uns auf eine Arbeitszeit von 24 Stunden, bei vier Tagen. Arbeitszeit und -platz flexibel. So wollte ich das haben.

Und weil er so nett war, arbeitete ich schon ein kleines bisschen nebenbei für seine Abteilung und ließ mich in Ruhe einarbeiten. Nach der Reha fing ich richtig an und habe es bisher keinen Tag bereut. Die Abteilung ist total nett, ich werde nicht überfordert und fühle mich richtig wohl.

Auch wenn ich manchmal zu Mehr-Arbeit neige, wird das schnell im Keim erstickt, denn es gibt nicht so wahnsinnig viel zu tun, meine 24 Stunden reichen absolut aus, um mein Tagesgeschäft zu erledigen.  Und wenn ich mal müde bin oder ich mich spontan um mein Kind kümmern möchte, ist das auch kein Problem. Ich kann mich ja abends noch mal an den Rechner setzen oder mache es am nächsten Tag fertig.

Der Vorteil dieser Abteilung ist auch, dass ich etwas völlig anderes mache und ich weder Geschäftsreisen tätigen muss, noch habe ich viele dringende Deadlines. Ich bin gerne für mein Team da und richte mich nach ihren Wünschen. Aber ich achte auch darauf, pünktlich Feierabend zu machen und dadurch Zeit für Aktivitäten mit meinem Kind zu haben. Ich arbeite auch regelmäßig von zu Hause aus, so dass ich nebenbei auch noch ein wenig Hausmütterchen sein darf.“

Tanja und ihre Familie an Weihnachten

Familie ist das Wichtigste!

Wie managst du jetzt deinen Tag, damit du nicht wieder in alte Muster verfällst?

„Ich versuche mich morgens nicht unter Druck zu setzen. Wenn ich morgens ein halbes Stündchen später im Büro bin, dann ist das eben so. Oft sind wir morgens in Hektik verfallen, weil wir dies und jenes noch machen müssen oder sich mal einer nicht gleich anziehen möchte. Das Wichtigste ist, dass das Kind nicht zu spät zur Schule kommt und alles dabei hat, was es braucht. Alles andere stelle ich hinten an.

Wenn ich ins Büro fahre, sehe ich nicht mehr so perfekt aus wie früher. Es tut auch ein kleines Tages-Makeup und wenn die Bluse von gestern noch sauber ist, ist die auch noch mal tragbar.

Des weiteren versuche ich, genug Luft zwischen Feierabend und Kind abholen einzubauen. Dann können unvorhergesehene Ereignisse passieren und ich komme trotzdem nicht in Hektik. Und unsere Tage sind nun strukturiert.

Montags Bücherei, dienstags Tennis, mittwochs Computer, donnerstags Oma-Tag, freitags Turnen….  Klingt viel, aber das ist es nicht wirklich. Alles ist maximal eine Stunde lang und immer in der Nähe.

Ich arbeite quasi da drum herum. Der Oma-Tag ist hierbei besonders wichtig. Donnerstags arbeite ich immer ein wenig länger und ich weiß, das Kind ist gut versorgt. Wir haben in der Nachbarschafft ein kleines Mutti-Netzwerk aufgebaut und wir helfen uns gegenseitig, wenn ein Kind mal kurzfristig betreut werden muss.

Wichtig ist auch, die Wochenenden frei zu halten, um Zeit zum Gammeln und Fernsehen etc. zu haben. Das klappt nicht jedes Wochenende, aber ich versuche auch mal, keine Termine zu machen beziehungsweise nicht bei jeder Aktivität dabei zu sein. Ich setze Prioritäten. Mein freier Montag gehört mir, bis es Zeit ist in die Bücherei zu gehen. Hier kann ich zur Kosmetik, Massage oder in den Sport. Freitags arbeite ich meist von zu Hause und erledige nebenbei den Haushalt, zudem gönnen wir uns noch eine Putzhilfe.

Wir haben uns einen Familien-Kalender angeschafft. Dazu nutzen wir den Google-Kalender. Alle Termine werden in verschiedenen Farben angezeigt, sodass mein Mann und ich jederzeit per Handy darauf Zugriff haben und uns wenig abstimmen müssen.  Das erleichtert uns vieles und wir wissen jederzeit, wo der andere ist und was als nächstes ansteht.“

Was willst du den Mamis da draußen mit auf den Weg geben?

„Achtet auf das, was euch wirklich wichtig ist. Geht in euch und hört auf euren Bauch. Ich habe meinen Bauch lange ignoriert und bin immer erst zu Erkenntnissen gelangt, wenn mir jemand anderes den Zaunpfahl auf den Kopf gehauen hat. Und das traf mich dann meistens mit einer gewaltigen Wucht.

Wenn ich die jungen Mamis jetzt sehe, wünsche ich mir, ich hätte die Baby-Zeit mit meinem Sohn mehr genossen.  Die kommt nie wieder zurück. Ein zweites Kind wird es für mich leider nicht geben.

Daher, genießt euer Kind mit vollen Sinnen und teilt euch eure Zeit sehr bewusst ein. Meiner ist nun ständig auf Tour und braucht seine Mami nicht mehr so viel. Ich realisiere nun, dass ich in 2-3 Jahren, wenn der kleine Mann mich kaum mehr braucht, auch noch zum Workaholic hätte werden können. Dann hätte ich ja wieder Zeit für sowas. Aber wer weiß das schon vorher.“

Wir bedanken uns bei Tanja, dass Sie ihre bewegende uns inspirierende Geschichte mit uns geteilt hat.

Bilder: ©rausausmeinemkopf.tumblr.com.

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