Es ist die Abmachung, die Eltern bereits zu Beginn der Schwangerschaft mit ihrem Kind treffen: dass die alleinige Kontrolle über ihr Leben ab jetzt nicht mehr bei ihnen liegt, sondern zu einem Großteil durch die Bedürfnisse des Kindes vorgegeben wird. Bis es ein Alter erreicht hat, das ihm und seinen Eltern ein gewisses Maß an Unabhängigkeit erlaubt, vergehen in der Regel zwei bis drei Jahre. Was macht das mit einer Mutter? Wir haben nachgefragt.
Die fetten Jahre sind vorbei
„Ich hockte vor elf Jahren mit einem dauerspuckenden Säugling und einer alles auseinandernehmenden Eineinhalbjährigen in einer sehr hübschen Wohnung im Stadtteil einer Kleinstadt.“ Lareine schreibt auf ihrem Blog Essential Unfairness wortgewandt, aber schonungslos über ihre Erfahrungen als inzwischen vierfache Mama. Sie schreibt ehrlich darüber, was sie in diesen 13 Jahren, seitdem sie ihre erste Tochter bekommen hat, gelernt hat – und was sie noch lernen muss. Ein großer Punkt auf der Liste: sich nicht vollständig von den Bedürfnissen der Kinder einnehmen lassen.
Bedürfniserfüllungsroboter
Lareine hat das Gefühl der Fremdbestimmung am stärksten nicht bei der Geburt ihres ersten, sondern ihres letzten Kindes erlebt. „Unsere Babys waren mit jedem weiteren immer pflegeleichter geworden. Und ich immer ein klein wenig entspannter. Daher dachte ich, ein nächstes Baby wäre vermutlich im Alltag schlichtweg nicht zu bemerken.“ Doch wie es die Dramaturgie so wollte, war natürlich das Gegenteil der Fall. „Nummer 4 war im ersten Jahr nicht das pflegeleichteste, sondern das anstrengendste Baby. Ich war nicht mehr oder weniger fremdbestimmt, sondern vielmehr zu einem selbstaufgegebenen Bedürfniserfüllungsroboter geworden.“
Wenn man auf der Abschussliste steht
Natürlich geht jede Mutter anders mit den scheinbar nie endenden Bedürfnissen ihrer Kinder um. Einigen fällt es leichter, anderen schwerer. „Die Sache ist die, dass die Fremdbestimmung einen hart trifft, wenn man sich a) nicht besonders gut innerlich gegen die Bedürfnisse des Kindes abgrenzen kann, man b) nicht immer voller Hingabe ist und man c) diese Zeiten schon etwas öfter erlebt hat. Vielleicht sollte man als Punkt d) noch erwähnen, dass es vermutlich hilft, sich aufgeben zu wollen. Denn wer ganz gern auf seine (Grund-)Bedürfnisse schauen möchte, der hat quasi verloren.“
Nach vier mal Säuglingsjahr: Land in Sicht
Auch wenn Lareine diese Punkte vor allem in autobiografischer Absicht aufführt, streitet sie doch selbst keinesfalls ab, dass sie inzwischen bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung gegangen ist. „Das Stadium der jungen, unsicheren Mama habe ich längst verlassen.“ Auch das Stadium des fremdbestimmten Bedürniserfüllunsroboters kommt langsam zum Ende, nachdem auch das jüngste Kind dem Säuglingsalter entwachsen ist, „seine Zahnbürste nach der Benutzung selber wieder in den Becher steckt und sich bestens verständigen kann. Ich weiß, dass nun der Punkt erreicht ist, an dem es steil nach oben geht.“
Eine innere Angelegenheit
Ist also alles nur eine Frage des geduldigen Ausharrens? Muss man die Fremdbestimmung nun einmal als gottgegeben akzeptieren, bis die Kinder ein unabhängigeres Alter erreicht haben – und sich bis dahin mit den Umständen arrangieren? Nicht notwendigerweise. Die Lektion, die Lareine für sich gelernt hat, formuliert sie so: „Ich begreife, dass ich (…)vor allem für insgesamt sechs Menschen sorgen muss. Ich schließe mich da ein. (…) Ich bin inzwischen in der Lage zu erkennen, dass anstrengende Phasen ihr Gutes haben und ebenso, dass ich nichts andauernd schönreden muss, nur weil ich mich dazu entschieden habe.“
Das ändert nicht unbedingt etwas an den äußeren Umständen – wer sich entschließt, Kinder zu haben, tut das nun mal mit dem Wissen, dass diese zumindest für die nächsten zwei Jahrzehnte den Großteil der eigenen Lebensplanung gestalten werden. Aber es hilft dabei, sich zu erinnern, dass hinter all dem auch noch Eltern stehen, die sich um sich selbst sorgen müssen, wenn sie in der Lage sein wollen, für ihre Kinder zu sorgen.
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