Zuerst muss die allesentscheidende Frage gestellt werden, bevor sich das Brautpaar bei der Trauung das Ja-Wort geben kann. Neben dem Beamten im Standesamt oder dem Pfarrer in der Kirche übernimmt bei einer freien Trauung ein freier Theologe diese wichtige Aufgabe. Wir haben bei Reginald Müller nachgefragt, wie wir uns eine solche Heirat fern ab von religiösen und rechtlichen Zwängen vorstellen können.

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Standesbeamter, Pfarrer oder freier Theologe: Wer stellt dem Brautpaar die wichtigste Frage des Tages?

Glaube ja, Institution Kirche nein: Der freie Theologe

Der Glaube an Gott ist die eine, die Institution Kirche die andere Seite der religiösen Praxis. Dies ist vor allem in der katholischen Kirche sehr umstritten. Während viele Gläubige sich deshalb voll und ganz von der Kirche verabschieden, suchen andere einen eigenen Weg, um im Glauben zu leben. So auch Reginald Müller: Dank seiner Arbeit als freier Theologe kann er sich voll und ganz den für ihn zentralen Werten des Lebens widmen. „Ich bin im Grunde genommen zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Mir war und ist immer die Begegnung mit dem Menschen wichtig.“

Auch wenn er der katholischen Kirche kritisch gegenüber steht, fühlt er sich aufgrund seiner Zeit als Mitglied im Franziskanerorden mit ihr verbunden: „Ich gehöre immer noch zu ihr – auch wenn ich vieles für nicht im Sinne Jesu halte. Ich wäre zum Beispiel sicherlich noch Priester, wenn es den Zölibat nicht gäbe. Für meine Zeit im Orden der Franziskaner bin ich dankbar. Dort habe ich gelernt, wie der Alltag im Leben einer Gemeinschaft aussehen kann und wie Konflikte gelöst werden können. Vielleicht war diese Erfahrung für mich ein gutes Ehevorbereitungsseminar. Manchmal vermisse ich die Geselligkeit der Gemeinschaft. Mein Lebensweg hat sicherlich viele Kurven, aber diese machen mein Leben reich. Von diesem Reichtum profitiere ich heute in Gesprächen mit meinen Brautleuten.“

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Ja sagen ohne jegliche Zwänge – das gelingt bei einer freien Trauung.

Eine Trauung frei von…

Bei der Entscheidung, welche Art der Trauung die richtige ist, zählen allein die Wünsche und Einstellungen des Brautpaares. Während für religiöse Paare die Kirche mit Pastor der richtige Rahmen für das Ja-Wort ist, eignen sich unkonventionelle Orte mit einem freien Theologen für Paare, in deren Leben Religion oder Kirche keine zentrale Rolle einnehmen oder die zwar gläubig sind, für die aber eine kirchliche Trauung aus einem anderen Grund nicht in Frage kommt, wie zum Beispiel aus..

… religiösen Zwängen

Die Entscheidung für eine freie Trauung hat viele Hintergründe, weiß Reginald Müller: Ich arbeite überkonfessionell und stehe nicht im Dienst einer Kirche oder Religionsgemeinschaft. Deswegen kommen zu mir häufig Paare, die sich in der Kirche als Institution nicht zu Hause fühlen. Manche waren schon einmal verheiratet oder sind aus der Kirche ausgetreten. Andere sind nie getauft worden oder bezeichnen sich als atheistisch. Sie wünschen sich alle eine freie Trauung, um Ihre Entscheidung in einem festlichen und persönlichen Rahmen zu begehen.” Der freie Theologe begleitet Menschen auf dem Weg zu ihrer Festlichkeit ohne Pastor: Von Geburt bis Trauerfeier. Auf seinem Blog hilft Reginald Müller mit Tipps und Inspirationen bei der Gestaltung.

Für gleichgeschlechtliche Paare oder Angehörige verschiedener Religionen ist eine kirchliche Trauung in den meisten Fällen nicht möglich. Dank einer freien Trauung haben sie trotzdem die Möglichkeit, im Rahmen einer feierlichen Zeremonie Ja zueinander zu sagen.

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Freie Trauungen stehen auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen.

…einem bestimmten Ort

Auch die Ungebundenheit an einen bestimmten Ort spricht für diese unkonventionelle Art der Trauung. So kann das Brautpaar sowohl Zeremonie als auch die Festlichkeiten an ihrer Wunsch-Location feiern.

…standardisierten Abläufen

Nicht nur bei der Wahl des Ortes, sondern bei der gesamten Gestaltung können sich Brautpaare einer freien Trauung so richtig austoben. Ihr haltet nichts von langen Reden? Dann verfasst die Trauformel in Kurzversion. Es gibt ein Symbol, das euer gesamtes Liebesleben wiederspiegelt? Dann wählt dieses als roten Faden für eure Zeremonie.

Für eine unvergessliche Trauung gibt es kein Grundrezept – außer, dass sie die Handschrift des Brautpaares tragen muss: „Ich kann keine pauschalen Tipps geben, denn jedes Paar ist anders. Unvergesslich wird die Trauung auf jeden Fall, wenn sie sehr persönlich ist, an einem Ort stattfindet, zu dem das Brautpaar eine Verbindung hat und sich die Eheleute in der Zeremonie wiederfinden“, so der freie Theologe.

Der Ablauf

Die Trauung von der Basis bis ins kleinste Detail selbst zu planen, ist durchaus eine Herausforderung. Doch Brautpaare sind dabei nicht alleine: Der Theologe steht ihnen beim gesamten Planungsprozess von der Entscheidung bis zur Zeremonie mit Rat und Tat zur Seite.

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Reginald Müller begleitet Paare beim Schritt ins gemeinsame Leben – und stellt schließlich die entscheidende Frage.

Wie wir uns diesen Ablauf vorstellen können, erklärt uns Reginald Müller: „Zunächst lerne ich die Brautleute in einem Vorgespräch kennen. Das Brautpaar bekommt von mir einen Leitfaden mit Fragen zu ihrer Lebens- und Liebesgeschichte und zu organisatorischen Rahmenbedingungen. In zwei weiteren Gesprächen entwickeln wir gemeinsam die Zeremonie: Wir sammeln bisherige Erlebnisse des Paares und ihre Vorstellungen von ihrem zukünftigen Weg. Ich unterstütze und begleite sie dabei bei Ihrer Auswahl möglicher Symbole und Texte.“

Diese Art der Trauung ist somit für Freiheitssuchende, Neuentdecker und Individualisten eine perfekte Möglichkeit, sich zu verwirklichen und den schönsten Tag im Leben voll und ganz nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Traditionen sind zwar etwas Schönes – aber vielleicht lohnt es sich doch ab und zu auszubrechen und sich aus deren Schranken zu lösen.

Bilder: Bild 1: (c) iStock / arthit somsakul, Bild 2: (c) iStock / Pilin_Petunyia, Bild 3: (c) iStock / lisafx, Bild 4: (c) Reginald Müller / Festlich ohne Pastor